Discussion:
Panbiogeographie / Vicariance Biogeographie
(zu alt für eine Antwort)
Judith Baltsar
2007-01-04 21:53:23 UTC
Permalink
Hallo allerseits,
sind hier eventuell vereidigte Biogeographen an Bord, die mit obigen
Begriffen bzw. Forschungsrichtungen vertraut sind? Ich bin kürzlich
über einen längeren Artikel gestolpert (Heads M. (2005) The history
and philosophy of panbiogeography. In: Regionalización biogeográfica
en Iberoamérica y tópicos afines (eds. J. L. Bousquets & J. J.
Morrone), pp. 67-123. Conabio, México, D.F. - läßt sich via Google
Scholar online finden) und wüßte jetzt gerne mal, ob das noch
ernstzunehmende Wissenschaft ist, oder gehören die Jungs schon zum
"lunatic fringe".
Die ganze Richtung steht ja offensichtlich ziemlich quer zum gesamten
evolutionären Establishment von Darwin bis Ernst Mayr zu stehen (was
ja nicht grundsätzlich verwerflich ist) aber einen gewissen
Märtyrer-Komplex kann man ihnen und ihrem Ober-Guru Croizat auch nicht
ganz absprechen.
Weiß jemand was zu dieser Geschichte, gibt's eventuell auch in D
Vertreter dieser Schule oder kann man die getrost als Crackpots
abtuen?

Ciao
Judith
Norbert Holstein
2007-01-05 08:54:57 UTC
Permalink
Ich bin zwar nicht vereidigt, aber als Diplomand zum Thema
Phylogeographie sehe ich mich mal angesprochen. Ich hab mir mal ein paar
Papers & Briefe dazu durchgelesen und weder aus diesen, noch aus meinen
Erfahrungen ist Panbiogeographie als etabliert anzusehen.
Richtig und wertvoll ist, dass Croizat auf Vikarianz, also Arttrennung
nach geographischer Trennung, als wichtigen Evolutionsfaktor hingewiesen
hat. Panbiogeographie geht nun aber davon aus, dass dies der einzige
oder mit Abstand wichtigste Punkt ist. Völlig außer Acht gelassen wird
dabei, dass man heutzutage die Neubesiedlung ('dispersal') beobachten
kann. Wieso sollte man also davon ausgehen, dass es auch früher nicht zu
einer Langstreckenausbreitung gekommen ist? Dass Meeresströmungen,
lokale Winde, Tierwanderungen etc. auch Diasporentransport ermöglichen
und es dadurch sogar geographische Häufungen von Transportstrecken gab,
erklärt viele Muster ebenso.

Ich denke, Panbiogeographie ist ein Relikt aus Zeiten, als es auch die
Theorie gab, dass Dispersal als einziger Weg für die heutige Diversität
gesehen wurde. Die Biogeographie akzeptiert heutzutage aber beides,
weswegen ich keinen Nutzen sehe, die Panbiogeographie irgendwie
hervorzuheben. Ein guter Biogeograph untersucht sowieso, ob nicht auch
Vikarianz die heutige Verbreitung und die molekularen Muster erklären
kann. Natürlich muss man seine Ergebnisse auch kritisch hinterfragen,
gerade was molekulare Uhren oder das Samplinglayout angeht, aber das ist
keine Frage der Theorie, sondern guter wissenschaftlicher Arbeit.

Grusz,
Norbert
--
Demokratie neu erleben - Virtuelle Republik Hansastan:
http://www.hansastan.de
Joachim Pimiskern
2007-01-05 19:02:09 UTC
Permalink
Post by Norbert Holstein
Richtig und wertvoll ist, dass Croizat auf Vikarianz, also Arttrennung
nach geographischer Trennung, als wichtigen Evolutionsfaktor hingewiesen
hat.
Ein paar Artikel zur Artentstehung im Zusammenhang mit geographischer
Trennung:

http://apollo.zeit.de/wo/article.php?id=799453
http://idw-online.de/pages/de/news145898
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/435307/
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/291824/
http://www.world-science.net/exclusives/050806_learnfrm.htm

Grüße,
Joachim
Norbert Holstein
2007-01-06 11:06:47 UTC
Permalink
Ich wollte nicht damit aussagen, dass sympatrische Artbildung keine
Rolle spielt. ;) Durchaus möglich dass deren Existenz wegen ihr
schwierigen Nachweisbarkeit bisher unterschätzt wurde, aber Allopatrie
nach Vikarianzereignissen ist doch nicht unwichtig.

Grusz,
Norbert
--
Demokratie neu erleben - Virtuelle Republik Hansastan:
http://www.hansastan.de
Loading...